Von «fight or flight» zu «rest and digest»
«Wissen ist Macht»
Dieses Zitat begleitet mich durch mein Leben und hilft mir bei der Arbeit mit meinen Patienten, Klienten, in der Familie und mit mir Selber. Ich habe in meinem ersten Bericht «Unsere innere Geheimwaffe: der Erholungsnerv» eine kurze physiologische Grundlage über unser vegetatives Nervensystem und den grössten parasympathischen Nerv (N. Vagus) gelegt.
Das vegetative Nervensystem ist nicht willentlich steuerbar. Wir nehmen über die Wirkungsweisen der 3 Anteile (Sympathikus, Parasympathikus, Enterisches Nervensystem) Einfluss auf die Herstellung und Erhaltung der Balance in unserem Körper. Ein weiteres Tool auf diesem Weg weg von «fight oder flight» zu mehr «rest and digest» können wir über Dehnübungen erreichen. Diese sind sehr einfach in unseren Alltag integrierbar.
Als Inspiration eine kleine Auswahl, welche meine Tochter illustriert hat.
Dehnung der Nackenmuskulatur (löst Ver-Spannungen, senkt den Schultergürtel)
Ausgangsstellung Stand/ Sitz
Ohr gegen die Schulter legen (leichtes Doppelkinn) und den Gegenarm zum Boden ziehen. Ein verstärktes Dehnungsgefühl kann über das Drehen des Kopfes (orientier dich an deiner Nasenspitze) nach oben oder unten erreicht werden. Bei der Ausatmung kann die Dehnung verstärkt werden.
20-30 Sekunden halten
Dehnung der Hüftbeuger/ vorderen Oberschenkelmuskulatur (hilft den unteren Rücken besser aufzurichten, entspannt nach langem sitzen)
Als Hilfsmittel kann ein Handtuch zur Verlängerung des Armes genommen werden.
Bei der Ausatmung weiter in die Hüftstreckung dehnen
20-30 Sekunden halten
Wichtig: es darf kein Hohlkreuz entstehen. Dazu die Bauchmuskulatur anspannen.
Dehnung des Brustmuskels (verhilft zur besseren Atmung und Aufrichtung, entlastet die Schultergelenke)
Stand gegen eine Tür- oder Schrankkante
Die Stellung des Armes wird je nach Intensität des Dehngefühls gewählt: Arm in der Horizontalen/ Arm weiter oben oder unten.
Je nach Position wird ein anderer Anteil des Brustmuskels gedehnt. Bei der Ausatmung die Dehnung verstärken
20-30 Sekunden halten
Dehnung der Wadenmuskulatur (Im Sprint (im Sport und im übertragenen Sinn)stark beansprucht)
Stand in Schrittstellung gegen die Wand, Ferse des hinteren Beines in den Boden gedrückt. Bei der Ausatmung kann die Dehnung verstärkt werden.
20-30 Sekunden halten
Variation: an der Treppe
Tipps:
Vor dem Beginn die Wahrnehmung in die jeweilige Körperregion lenken. Wie fühlt es sich an?
Sich vor dem Seitenwechsel nochmals einen Eindruck verschaffen. Wie nehme ich meine rechte bzw. linke Seite wahr? Hat sich etwas verändert? Spüre ich einen Unterschied?
Am Schluss nochmals die Seiten vergleichen. Hat sich eine Balance eingestellt? Wie fühlt sich der Muskel oder die Region im Vergleich zu vor der Dehnung an?
«Wissen ist Macht» oder «Nichts wissen, macht auch nichts»
Als Physiotherapeutin/ angehende Craniosacral Therapeutin erstelle ich einen Befund, analysiere diesen und erstelle eine Hypothese. Gemeinsam mit meinem Patienten/ Klienten formulieren wir das Ziel und seine Wünsche. Mein Wissen erweitern und Informationen sammeln ist für mich eine wichtige Basis, eine Sammlung im Kopf und dann gibt es noch mehr…
… denn der Information steht die Intuition gegenüber.
Für die Information brauche ich ein Vorwissen, es wurden Normen definiert und somit wird gewertet. Dieses Zusammentragen findet im Kopf statt. Wir denken, zerdenken, rechnen, berechnen- von früh bis spät.
Der Begriff «Intuition» stammt ursprünglich aus dem lateinischen und bedeutet: »genau hinsehen» oder «anschauen». Sie ist weder eine Funktion des Verstandes, noch kann dieser die Intuition begreifen. Sie ist unsere innere Stimme- unser Bauch, unser Bauchgefühl, unser Herzensgefühl. Die Intuition ist neutral, wertet nicht und wir tun Dinge, die unser Verstand teils überhaupt nicht begreift und vielleicht auch keinen Sinn ergibt.
Über das Wissen und die Information entscheide ich im Kopf. Was mir hilft das vegetative Nervensystem in Balance zu bringen? Welche Tools wende ich für welchen der drei Anteile des vegetativen Nervensystems an?
Nutze ich meine Intuition, dann weiss ich genau, wann ich was anwende, was mir gerade jetzt hilft und ich zu mehr Ruhe und Entspannung komme.
Somit steckt alles in uns. Vielleicht bekomme ich durch mein Wissen eine bewusste Auswahl an Tools, jedoch erhalte ich über meine innere Stimme genau den richtigen Input für mein Jetzt.
«Die Intuition ist ein göttliches Geschenk, der denkende Verstand ein treuer Diener. Es ist paradox, dass wir heutzutage angefangen haben, den Diener zu verehren und die göttliche Gabe zu entweihen.» Albert Einstein
Ein Bericht von Barbara Meister mit Illustrationen von Jaël Meister.